aus:
Wolfgang Prange,
Die Anfänge der großen Agrarreformen in
Schleswig-Holstein bis 1771,
Neumünster, Wachholtz-Verlag 1971
Perdoel
Das Gut Perdoel hat im Jahre 1551 durch die Teilung unter Moritz
Sehestedts Sohne, bei der das Gut Depenau entstand, seine spätere Gestalt
erhalten. Jakob Sehestedt erhielt den Haupthof Perdoel, der damals auf 18 Hufen
Hofacker angeschlagen wurde, und die Dörfer Perdoel, Belau und Ruhwinkel mit
wenigstens 27 Hufen157. Das Dorf Perdoel, das zuletzt nur noch zwei
Hufen zahlte, ist bald eingegangen und sein Land zum Hoffeld geschlagen worden.
1676 bestanden in Ruhwinkel 14 volle und drei halbe, in Belau neun volle und
zwei halbe Hufen, eine wüste Hufe war an alle Bauern verteilt158.
Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts arbeitete in Perdoel eine
Glashütte159, die allmählich die den westlichen Teil des Gutes
erfüllende Holzung Bockhorn abräumte. Das dadurch zur Kultur frei werdende Land
wurde zum Teil den Voll- und Halbhufen von Ruhwinkel, zum Teil Heuersleuten
eingetan, die sich auf dem neuen Lande anbauten. 1676 gab es im Gute zehn
Heuersleute. Einer von ihnen hatte im Bockhorn das Haus des Glasmeisters inne,
das dieser bei einer Weiterverlegung seines Betriebes im Gute aufgegeben hatte,
und zahlte dafür und für das beigelegte Land nicht weniger als 64 Rtlr. In der
angrenzenden Stadtweddern Koppel standen drei Katen, die in der Hand von nur
zwei Heuersleuten waren; sie zahlten für Katen und Land 23 bzw. 10 Rtlr. In
ähnlicher Höhe hielten sich die Abgaben der übrigen Heuersleute. Nur einer von
ihnen, der nicht im Bockhorn, sondern im Osten des Gutes auf der Hofkoppel
Vorderster Plöner Siek saß, gab 33 1/3 Rtlr. Zu einem Kopf- und Viehschatz
zahlte 1678 ein Heuersmann mehr als ein Vollhufner, einer soviel wie ein
Halbhufner, die anderen weniger.
Unter der Bewohnerschaft des Gutes wurde zu dieser Zeit deutlich zwischen
den Untertanen, den Heuersleuten und den Glasmachern unterschieden. Daraus ist
zu schließen, daß die Heuersleute durchweg, wie es in einem Fall ausdrücklich
belegt ist, persönlich frei waren. Sie leisteten keine Hof-dienste. Nicht für
alle stand der Ackerbau im Vordergrund. Einer betrieb vorwiegend Weidewirtschaft
auf dem geheuer-ten Land, einer wird als Schnittger, einer als Schuster
bezeichnet. Aber die ,,Schusterkoppel" im Bockhorn macht es wahrscheinlich, daß
er sich nicht nur auf sein Handwerk beschränkt hat, wenn er auch nicht die
Koppel in ihrer ganzen späteren Ausdehnung (40 To) bewirtschaftet zu haben
braucht.
Die Heuerstellen im Bockhorn haben nur etwa ein halbes Jahrhundert
bestanden. Zwischen 1717 und 1722 sind sie niedergelegt worden. Statt ihrer
wurde ein neuer Meierhof errichtet. Er übernahm das bisher von ihnen genutzte
Land und auch den Namen Bockhorn160. Zum Schicksal der Bockhorner
Heuerstellen fügt sich gut eine Ausführung der Gutsherrin von 1740, die belegen
sollte, warum der Pastor von bestimmten wüsten Hufen keine Abgaben zu fordern
habe: ,,Es mögen wohl Heuerstellen gewest sein, die bei nachheriger Veränderung
sind umgelegt worden; allein wenn die alle vor volle Hufen der Kirchen gerecht
werden sollten, so würden die Guter übel daran sein, so noch wirklich viele
Heuerstellen im Stande haben als Bothkamp und Depenau, wenn daselbst künftig
eine Veränderung geschehen sollte161." Heuerstellen sollten als etwas
Unbeständiges hingestellt werden; sie seien kleine Stellen, eher Katen, die nach
den Erfordernissen der Wirtschaft angelegt oder auch wieder aufgehoben,
keinesfalls aber mit den Hufen verglichen werden konnten, die, selbst wenn sie
niedergelegt wurden, zu dieser Zeit doch nicht mehr aus den Katastern zu
streichen waren.
Dessen ungeachtet hat im Gute Perdoel außer den Bockhornern noch eine
größere Zahl von Heuerstellen bestanden. Wenn auch die meisten nur klein waren,
so sind doch auch mehrere größere Wirtschaften darunter gewesen. Wann sie
angelegt worden sind, bleibt dunkel, die Mehrzahl jedenfalls nach 1679; um 1760
waren sie vorhanden162. Im östlichen Winkel des Gutes hatten die
beiden Stellen beim Honigholz je etwa 90 To, nicht weit davon acht Stellen in
Vierhusen jede bei 15 To - 1676 war ein Teil dieses Landes noch vom Hofe
genutzt, ein Teil noch mit Holz bestanden gewesen -; ebenso viel besaßen fünf im
Dorfe Belau selbst liegende Heuerstellen, während von den fünf Stellen im Vier,
zwischen Belau und Ruhwinkel, drei um 65 To, je eine 13 und 33 To bebauten; am
kleinsten waren mit je etwa 6 To die vier Stellen in Stabie, nahe Bockhorn. Bei
allen Stellen ist zu beachten, daß ihr trockener Sandboden nur von geringem Wert
war; so zahlten die Honigholzer nicht mehr als je 40 Rtir Heuer. Das Inventar
der Stellen scheint Eigentum der Heuersleute gewesen zu sein, anscheinend taten
sie an Diensten nicht mehr als zwei Tage in der Ernte. Ihre Kontrakte waren
nicht schriftlich geschlossen163.
Depenau
Das Gut Depenau ist im Jahre 1551 durch die Teilung des Gutes Perdoel
unter Moritz Sehestedts Sohne entstanden. Paul Sehestedt erhielt die Dörfer
Wankendorf, Stolpe, Löhndorf, Horst und Bardenbek. Ein Hof bestand dort nicht;
daher wurden ihm sieben von den zusammen wenigstens 44 Hufnern mit der Maigabe
zugeteilt, ihren Acker als Hoffeld zu nutzen. Er nahm sie aus der Feldmark von
Bardenbek und gründete dort den Hof Depenau; das Dorf Bardenbek wurde
niedergelegt, 1572 erscheint sein Name zuletzt164. Kurz vor 1646 sind
auch die fünf Hufen von Löhndorf niedergelegt und in einen Meierhof verwandelt
worden165. 1626 zahlte das Gut nur noch für 30 Pfluge und blieb
künftig auf diesem Satz; tatsächlich war die Zahl der Bauernstellen noch etwas
geringer.
Im Jahre 1681 kam Depenau an den Obristen Joachim v. Brockdorff. Er hat
wahrend seiner langen Herrschaft, bis 1719, mit beispielloser Härte nach
wirtschaftlicher Verbesserung seines Besitzes gestrebt. Um 1700 legte er die
fünf Hufen des Dorfes Horst nieder und errichtete aus ihnen einen Meierhof. Die
Bauern wurden nach Stolpe und Wankendorf versetzt, zu ihrer Ausstattung den
dortigen Bauern Land abgenommen. Solche Landabnahmen wiederholten sich in den
nächsten Jahren mehrfach. Beiden Dörfern wurden entferntere Teile ihrer Feldmark
entzogen, mit Knick und Graben umschlossen und an Heuersleute ausgegeben; auch
auf das durch eine Glashütte von Holz freigemachte Kuhlrade bei Wankendorf wurde
1701 ein Heuersmann gesetzt. 1707 gab es vier Heuersleute, die zusammen an 400
Rtlr Heuer zahlten.
Die Lage der Bauern in den beiden Dorfern verschlechterte sich unter
diesen Umstanden beträchtlich. Wahrend sie einerseits von ihrem Land verloren,
wurden andererseits ihre Dienste erhöht. Hatten sie bisher mit einem Gespann und
drei, nur in der hilden Zeit mit vier Leuten gedient, mußten sie jetzt zwei
Gespanne mit acht Pferden und sechs, bisweilen sogar sieben Leuten stellen. Dazu
kam die harte Behandlung, immer neue Verdächtigungen der Frauen als Hexen - 1678
waren drei und 1687 wieder drei Menschen verbrannt worden -; die Untertanen
empfanden ihre Lage als hoffnungslos. Die Zahl derer, die ihr Heil in der Flucht
suchten, nahm zu und stieg in den ersten 26 Jahren von Brockdorffs Herrschaft
bis an hundert. 1707 griffen die Bauern zur Selbsthilfe, zerstörten die Zaune
einer neuen Heuerstelle und verboten dem Heuersmann unter Drohungen, zu pflügen.
Darauf fiel Brockdorff mit seinen Hofbedienten und den vier Heuersleuten über
sie her, erschoß einen mit eigener Hand und verwundete andere schwer. Die
Landesherrschaft stellte eine Untersuchung an, Brockdorff und seine Helfer
wurden verurteilt, es kam zur Einsetzung einer Kommission, die eine Vermessung
beider Dörfer anordnete, um zu prüfen, ob die Bauern im Verhältnis zu ihrer
Belastung genügend Land hatten; die Dienste wurden bestimmt, sie sollten mit
vier, nur in der Saat- und Erntezeit mit fünf Leuten geleistet
werden166. Aber Brockdorff wandelte sich wenig, und seine Witwe und
sein Sohn waren von gleicher Art; der von Brockdorff in das Gut gebrachte Geist
hat Depenau nicht wieder verlassen, die Unruhen rissen kaum je ab; nach 1707
wurden wieder 1709, 1718, 1737, 1744, 1766, 1768, 1782, 1794 Kommissionen und
militärische Kommandos auf das Gut gefordert167.
Die Depenauer Heuerstellen waren jedenfalls nicht ganz klein, sie hatten
ihr Land in Koppein und taten keine täglichen Hofdienste, standen also außerhalb
sowohl der Feldgemeinschaft als auch des gutswirtschaftlichen Systems und
erbrachten ihre Leistungen mehr oder weniger ausschließlich in Geld. Ihre
Inhaber stammten aus der Bewohnerschaft des Gutes, waren also
leibeigen168. Nach 1707 ist die Zahl der Heuerstellen vermehrt
worden. Mehrere entstanden auf dem Gebiet des niedergelegten Dorfes
Horst169, entweder sogleich bei dessen Niederlegung oder später durch
Verkleinerung des dort angelegten Meierhofes. Auf solche Art sind die beiden
großenHeuerstellen auf dem Kielerkamp, vielleicht auch die in der Nettelau vom
Depenauer Hoffeld abgenommen170, die beiden großen Heuerstellen
Obendorf dagegen von der Wankendorfer Feldmark. Daneben gab es kleinere
Heuerstellen nach Art von Katen, zum Teil in den Dorfern selbst. Vermutlich war
ihr Land wieder dem der Bauern abgenommen; denn 1711 und 1718 klagten diese
erneut über den Entzug von Land171. Wahrscheinlich sind damals zum
letztenmal zwei Hufen niedergelegt worden172. 1722 war die Zahl der
Hufen auf 23 gesunken173. Ebenso viele bestanden auch 1774 und an
Heuerstellen drei in Obendorf, fünf auf dem Kielerkamp, eine in der Nettelau,
zwei beim Poggensee und vier auf dem Horster Feld174. Dann führte die
Verkoppelung zu Veränderungen: 1784 gab es nur noch 18 Hufen, in beiden Dörfern
je neun; aber die vier großen Heuerstellen in Obendorf und auf dem Kielerkamp
hießen jetzt auch Hufen. Die Heuerstellen auf dem Horster Feld und in der
Nettelau wurden 1795 niedergelegt und an ihrer Stelle die Meierhöfe Horst und
Nettelau neu eingerichtet175. Der Begriff der Heuerstelle war nun auf
Kleinstellen eingeengt, er erscheint nur noch im Zusammenhang mit Katen- und
Instenstellen.
Fußnoten:
157 Teilung 1551 (LA 15 Mr 2912). - Die urspriüngliche
Hufenzahl der ostholsteinischen Güter wird da, wo genaue Angaben fehlen, am
ehesten aus der Zahl der Kirchenpflüge erschlossen, die Grundlage der Erhebung
von Kirchenlasten war; sie ist gewöhnlich hoher als die Pflugzahl in der
Renovierten Landesmatrikel von 1652, also alter, wenn sie meistens auch nur in
den Anfang des 17., nicht in das 16. Jahrhundert zurückreicht. Die Zahl der
Kirchenpflüge wird aus Kircheninventaren und Kirchenrechnungen entnommen. - In
Perdoel stimmen Kirchenpflüge und Pflugzahl der Renovierten Landesmatrikel
überein. - Vgl. Kirchenrechnung Bornhöved 1735 (LA 110.3 Nr 455) und Segeberger
Konsistorium, 1740 Apr. 7 (LA ll Nrl933).
158 LA 110 AR 1676-1679 ,,Königliche Verwaltung der sequestrierten
Königsmarckschen Güter".
159 Zu 1655 erwähnt in Top. unter Ruhwinkel. Als erster Glasmeister in
Bockhorn wird Jürgen Gundlach genannt (LA 15 Nr 789). Über ihn vgl. K. Hucke,
Glasmacherei, in: Gottorfer Kultur im Jahrhundert der Universitätsgründung.
Kulturgeschichtliche Denkmaler und Zeugnisse des 17. Jahrhunderts aus der Sphäre
der Herzoge von Schleswig-Holstein-Gottorf. Hrsg. von E. Schlee (1965) S.
428-436. - 1676-1679 war Glasmeister in Perdoel Franz Abraham Gundlach, er hatte
15 Mitarbeiter, darunter vier weitere Gundlachs (wie Anm. 158).
160 Über die Heuersleute vgl. vor allem wie Anm. 158; dazu verschiedene
Angaben in LA 15 Nr 789. - Der Meierhof Bockhorn ist von dem gottorfischen
Jägermeister Wolf Christian v. Ahlefeldt angelegt, der das Gut 1717 kaufte und
1722 starb (Bobe, Ahlefeldt, 2 S. 209).
161 1740 März 23 (LA 11 Nr 1933).
162 Erwähnungen in den Kirchenbüchern von Bornhöved seit 1762 (vorher
haben sie nicht so genaue Angaben zur Person); Viehkate auch 1737 Juni 26 (LA 15
Nr 791).
163 Abschrift der Vermessungsregister (LA 152 Nr 9 des. 9-10). -
Familienstellenverzeichnis, 1805 (LA 11 Adi. Güter, Perdoel 9 und 11). -
Flurkarten 1798 (LA 402 B III Nr 225 und 227). - Die Perdoeler Meierhofe Diekhof
und Schönböken sind erst um 1800 angelegt worden.
164 LA 15 Nr 2912, 2826, 3234. - Kirchenpflüge: Briigge: Kircheninventar
1797 (LA 19 Nr 361.3); Bornhöved: Kirchenrechnung 1735 (LA 110.3 Nr 455 und LA
19 Nr 223 S. 207); Preetz: Landgerichtsurteil 1622 (LA 19 Nr 62 S. 363).
165 Vertrag 1646 Apr. 20 (LA 49 Kieler Konsistorium 2 des. 55; vgl. V.
Pauls, Die rechtliche Natur der Kirchenanlagen im Kirchspiel Brügge, in: SHA
1938 S. 193-205 und 217-230, bes. S. 204). - 1610 werden noch fünf Hufen genannt
(LA 19 Nr 62 S. 34; auch LA 19 Nr 747).
166 Die Depenauer Unruhen konnen hier nur erwahnt werden, sie miifiten
besonders untersucht werden. Vgl. vor allem LA 65.1 Nr586; dazu einzelnes in LA
A XX Nr 3464 und 3462; LA 65.1 Nr 587; LA 65.2 Nr 1346; LA 15 Nr 1409 und 1547.
- G. Pasche, Chronik des Kirchspiels Bornhovede (1839) S. 33 ff. - H. Pohls, in:
Heimatbuch des Kreises Plon (1953) S. 177 f. - 0. Kock, Von der Leibeigenschaft
auf dem Gute Depenau. Totschlag und Exekution im Jahre 1707, in: Die Heimat 77
(1970)S.139-141.
167 LA 11 Adi. Giiter, Depenau 2-6, 8, 9, 13, 14, 16; LA 65.2 Nr. 1346. -
Vgl. auch S.596.
168 Angaben zur Person in LA 65.1 Nr 586 und LA 15 Nr 789.
169 LA 15 Nr 789, unter 1732 Dez. 19.
170 Der Kielerkamp war 1707 Holland (LA 65.1 Nr 586).
171 LA 15 Nr 1409; LA 65.1 Nr 587.
172 1740 wird berichtet, die Obristin Brockdorff (+ 1736) habe die beiden
letzten Hufen niedergelegt. Deren Gesamtzahl betrug aber 1722 und 1774
gleichermaßen 23; 1740 werden allerdings nur 22 leibeigene Untertanen und
Hauswirte genannt (LA 65.2 Nr 1346).
173 LA 15 ?2025.
174 LA 66 Reg. S. 181 ,,Hornviehzahlung 1774".
175 Auszüge aus den Vermessungsregistern von 1784 und 1795 (LA 152 Nr 9
des. 12). - Die Kirchenbücher von Bornhöved nennen in den Jahren 1762-1769
(vorher haben sie nicht so genaue Angaben zur Person) Heuersleute in
Horsterfelde, Kielerkamp, Nettelau, Tiendiekshorn, Obendorf, Stolpe, Wankendorf
und bei Löhndorf. Anderweitig sind bezeugt Heuersmann auf dem Voorden Zeegen, zu
Boest unweit der Mühle und in der Uhlenhorn auf der Horster Feldmark (LA 15 Nr
789 zu 1727 Nov. 25 und 1732 Dez. 19).